Michael Canitrot at Notre-Dame
Michael Canitrot at Notre-Dame
Feel Good Friday

Visuals in electronic music

Lichtinstallationen, Projektionen und Lasershows machen aus DJ-Set ein immersives Erlebnis. Wir sprechen mit DJ Michael Canitrot über die Bedeutung von Visuals.

Einer, der das Zusammenspiel zwischen Musik und Kunst beherrscht ist der französische DJ und Produzent Michael Canitrot. Er fasst sich und seine Shows in nur drei Worten zusammen: „Musik, Visuals und Experience.“ Spätestens seit seinem Auftritt bei der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame in Paris kennt man seine Handschrift. Fünf Jahre nach dem verheerenden Brand war die Feier ein sehr wichtiger Moment: „Nicht nur für Frankreich, sondern für die ganze Welt“, findet er. „Ich wollte etwas sehr Poetisches schaffen, gleichzeitig etwas Symbolisches. Durch die Visuals konnte jeder verstehen: Notre-Dame ist wieder offen. Ich wollte diesem Moment durch Musik, aber auch durch Bilder Bedeutung verleihen.“ Und das ist ihm gelungen.  

In Dunkelheit gehüllt steht Notre-Dame im historischen Zentrum Paris’. Ein dunkler Glockenschlag durchschneidet die Nacht. Gleißendes Licht erstrahlt die große Fensterrose und verblasst wieder. Ein zweiter Gong erklingt und der Beat setzt ein. Langsam beginnen Lichtbilder über die steinerne Fassade zu fließen. Fein gezeichnete Konturen, Türme, Bögen und Figuren beginnen zu leuchten. Vor dieser atemberaubenden Kulisse steht in schwarz gekleidet Michael Canitrot an seinen Decks, eingerahmt vom großen Torbogen der Kathedrale. Zehn Minuten dauert sein Set. Mit jedem Beat verändert sich das Bild: Linien fließen, Farben wechseln, Schatten und Licht verschmelzen. Musik, Visuals und Architektur greifen ineinander, bis sie eins werden. 

Michael Canitrot for the reopening of Notre-Dame de Paris - Monumental Tour
Michael Canitrot for the reopening of Notre-Dame de Paris - Monumental Tour

Diese Verbindung von Klang, Licht und Geschichte zieht sich durch Canitrots gesamtes Schaffen. Mit seiner „Monumental Tour“ verwandelt Canitrot historische Orte in temporäre Kunstwerke, vom Eiffelturm über die Monnaie de Paris bis hin zum Schloss Chambord. „Ich bin seit meiner Kindheit sehr begeistert von Geschichte und Architektur“, erzählt der DJ. „Nach einem Auftritt in der Monnaie de Paris waren alle so begeistert von meiner Musik, in diesem Gebäude, mit seiner Geschichte und Architektur. Da dachte ich: In Frankreich gibt es so viele außergewöhnliche Orte. Warum nicht daraus eine ganze Tour machen?“ 

Hinter Auftritten wie diesen steckt viel Arbeit und ein großes Team. „Ich brauche mindestens sechs Monate, um eine solche Show zu entwickeln“, erklärt Canitrot. „Ich beginne immer mit der Musik und stelle mir dann die visuellen Elemente vor: Videomapping, Licht, all das. Wenn ich ein klares Bild im Kopf habe, arbeite ich mit meinem Team. Einem Lichtdesigner, dem Grafikdesigner und später vielen Technikern. Am Anfang sind wir zu dritt, am Ende arbeiten bis zu 200 Leute an einem Abend, damit alles perfekt zusammenpasst.“  

Sein neuester Track Renaissance wurde direkt von seiner Tour inspiriert. „Der Song entstand für meinen Auftritt im Schloss Chambord, einem echten Symbol der französischen Renaissance“, sagt der Franzose. „Ich wollte ein Stück schaffen, das zu diesem geschichtsträchtigen Ort passt.“ 

Doch Canitrot denkt längst weiter. „Ich möchte weiterhin große Monumente entdecken. Alte, aber auch moderne. Kulturerbe bedeutet für mich nicht nur Schlösser oder Kathedralen, sondern kann auch eine Industriestadt oder ein modernes Gebäude sein.“ Seine Vision reicht inzwischen über Frankreich hinaus: „Das Projekt wächst. Ich möchte bald auch in Südamerika aufzutreten.“ Und was ist mit Deutschland? „Ich hoffe sehr bald! Bei meinem Auftritt in Chambord kamen viele Fans aus Deutschland, das war das zweit- oder drittgrößte Publikum. Deutsche lieben das Projekt, und ich würde wirklich gerne dort spielen.“ 

Sein Schlüssel für eine das perfekte Zusammenspiel: „Gute Visuals entstehen, wenn sie vollkommen mit der Musik verschmelzen. Wenn das Bild der Musik etwas gibt und die Musik den Visuals. Es muss ein Gleichgewicht zwischen beiden geben.“ Michael Canitrot steht für eine neue Generation elektronischer Künstler:innen, die Musik nicht nur hörbar machen wollen, sondern erleben lassen. Für ihn gehören zu einem guten DJ-Set auch gute Visuals.

Von Johannah Hainke