Techno Ballett Odyssey
Techno Ballett Odyssey
Feel Good Friday

„Ballett bleibt Ballett, Party bleibt Party“

Die Berlin Ballet Company geht mit ihrem Stück A Techno Ballet Odyssey auf Deutschland Tour. Wir waren beim Kick-Off und haben beobachtet wie moderner Techno mit klassischem Ballett verschmilzt.

Seit zweieinhalb Stunden füllt ein DJ den Tempelhofer Airport Berlin mit seinem Sound. Der Hangar 5 ist gefüllt mit Gästen, die im Rhythmus des Beats wippen. Und plötzlich teilt sich die Menge. Ein hochgewachsener Tänzer in einem dekonstruierten Glitzeranzug, schwarzem Lederkorsett und silbernem Netz-Top schreitet langsam an den Zuschauenden vorbei. Mit nackten Füßen steigt er geschmeidig auf eine kleine Bühneninsel mitten im Raum und beginnt, sich zu bewegen. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Und dann setzt der Beat ein. An den Decks steht der Belgrader DJ Marko Nastić, der durch die nächsten 70 Minuten des Stücks A Techno Ballet Odyssey führen wird. Er setzt den Ton der Nacht. Bei der Aufführung treffen klassisches Ballett, Techno-Musik und Clubdystopie aufeinander. „Wir verbinden nicht Ballett mit Techno im Sinne eines neuen Tanzstils“, erzählt Oleksandr Shpak, einer der drei Macher von A Techno Ballet Odyssey. „Es bleibt eine klassische Ballettaufführung. Wir schaffen eine Party, in der Ballett stattfindet.“ 

Mittlerweile hat sich der Tänzer vom Anfang einen Weg zu einer der drei Hauptbühnen gebahnt. Über eine Live-Videoprojektion auf den Betonwänden lässt sich beobachten, wie sich eine zweite Tänzerin von hinten auf die Bühne schleicht. Sie trägt ein graues, fast durchsichtiges Kleid. Während sie sich im Takt der Musik wiegt, wird sie von langen Stofffäden am Saum ihres Kleides umspielt. Und wenn man nicht genau hinsieht, verpasst man beinahe den Moment, in dem weitere Tänzer:innen eine zweite Bühne schräg gegenüber betreten. Immer deutlicher formt sich das Bild einer Clubnacht. In A Techno Ballert Odyssey existieren zwei Welten, die sich gegenseitig Raum geben. Wie Shpak sagt: „Ballett bleibt Ballett, Party bleibt Party.“ Besonders auffällig ist die Gender Fluidität der Tanzenden. Durch Kostüm und Ausdrucksweise schwingt eine gewisse non-Binärität mit. 

Die Idee für das Stück ist eng mit der eigenen Geschichte der Macher Alexander Abdukarimov, Oleksandr Shpak und Arshak Ghalumyan verbunden. Anfang zwanzig kamen die drei nach Berlin und tanzten am Berliner Staatsballett. Der Alltag war geprägt von Proben, Disziplin und Präzision. Nachts zog es sie dann in die Clubs der Hauptstadt. „Nach einer Woche voller Proben sind wir trotzdem ins Berghain oder ins Sisyphos gegangen.“ Der Kontrast zwischen Ballett und Club war prägend für sie. „Im klassischen Tanz muss alles exakt sein, man steht allein im Licht und wird von allen beobachtet. Im Club ist das Gegenteil der Fall. Es ist egal, ob du Solist bist oder nicht. Wer du bist, was du bist, wie du tanzt oder ob du überhaupt tanzt. Beim Techno geht es darum, sich selbst zu verlieren“, findet Shpak. Auf diesem Gefühl des Sich-Verlierens baut A Techno Ballet Odyssey auf. Der Titel verweist auf Homers Odyssee, auf eine Reise durch Irrwege und Umwege. „Es geht um eine Figur, die sich im Club verliert und einen Weg zurück zu sich selbst sucht“, erklärt Shpak. Mehr muss man nicht wissen, um das Stück zu schauen. 

 

A Techno Ballet Odyssey
Berlin Ballet Company
A Techno Ballet Odyssey

Techno trifft auf klassisches Ballett

Musikalisch getragen wird das Projekt von elektronischer Musik. Marko Nastić, DJ und Produzent, hat den Sound vollständig komponiert und spielt sie bei jeder Show live. „Die Musik war zuerst da, darauf wurde choreografiert, aber die Entwicklung war ein gemeinsamer Prozess”, erinnert sich Shpak. Erst durch die Beats wird es möglich, sich innerhalb des Stücks fallen zu lassen. Zwischen Tänzer:innen und Publikum verschwimmen die Grenzen – die Vierte Wand wird durchbrochen. Das ist wohl auch der größte Unterschied zum klassischen Ballett. Niemand muss sitzen, niemand muss still sein. „Man kann tanzen, sich bewegen und den Abend auf die eigene Weise erleben“, sagt Shpak. „Das Publikum wird zu Feiernden und gehört zur Inszenierung, genauso wie die Tänzer Teil der Party sind. Beides existiert nur gemeinsam.“ Immer wieder steigen die Balletttänzer:innen von ihren Bühnen hinab ins Menschen Meer, tauchen unter und wieder auf. Sie verschwinden, während um sie herum weitergetanzt wird, so nah, dass man sie fast berühren kann. 

Die Aufführung findet ihren krönenden Abschluss im Zusammenbruch des Solisten. Mittlerweile trägt er hohe Absatzschuhe, seine Figur hat sich spürbar verändert. Nachdem er sich in der tanzenden Menge verloren hat, findet er mithilfe der Stimme einer schillernden Opernsängerin den Weg zurück auf die Bühne – als wäre sie sein Nordstern, der ihn zurück zu sich selbst finden lässt. Er kriecht die Stufen hinauf, das Stück endet. Tosender Beifall hallt durch den alten Flughafenhangar. Die Zuschauenden sind begeistert, erzählen, wie sehr sie die Performance bewegt hat. „Es ist sehr anders, aber das klassische Ballett gepaart mit der modernen Technomusik ist ganz toll“, sagen Emily und Simon. Für Vladi war besonders die Inklusivität des Stücks entscheidend. „Ich mochte vor allem die Genderneutralität sehr. Und die Musik.“ 

Nach der Ballettaufführung ist der Abend jedoch noch nicht vorbei. An den Decks findet ein Wechsel statt, der Beat setzt erneut ein und es wird weiter getanzt. Ein Abend dauert rund sieben Stunden und passt sich dem jeweiligen Ort an. Jede Ausgabe ist anders, abhängig von Architektur, Publikum und Energie. Wenn das Projekt in Clubs wie dem Kölner Bootshaus gastiert, gelten andere Regeln als etwa im Zoogesellschaftshaus in Frankfurt am Main. „In einem Club ergibt es keinen Sinn, mit klarem Anfang- und Ende zu arbeiten“, findet Shpak. Der Abend entwickelt sich organisch, sodass bis in die frühen Morgenstunden weitergefeiert werden kann. 

A Techno Ballet Odyssey
Berlin Ballet Company
A Techno Ballet Odyssey
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Tourdaten:

Frankfurt/Main, Zoogesellschaftshaus 
19.12.2025: 19.00 – 02.00 Uhr 
20.12.2025: 19.00 – 02.00 Uhr 

Baden-Baden, Festspielhaus 
30.01.2025: 19.00 – 22.30 Uhr 

Köln, Bootshaus 
26.02.2025: 19.00 – 01.00 Uhr 
27.02.2025: 20.00 – 06:00 Uhr 
28.02.2025: 20:00 – 06:00 Uhr 

Tickets für rund 58 bis 84 Euro sind hier erhältlich. 

Von Johannah Hainke