MRT – Team
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Mental Rave Network

Beats, Bass und Burnout

Hinter den bunten Lichtern der Clubkultur kämpfen viele Menschen mit psychischen Problemen – Das Mental Rave Network unterstützt solche Leute. Dafür brauchen sie nun aber auch unsere Unterstützung.

In der Welt der elektronischen Musik geht es vor allem um eins: Frei sein, zusammen sein, Ekstase und grenzenlose Feierei. Für manch eine:r ist der Rave der Ort, an dem man die Realität hinter sich lassen kann und mittendrin: DJs, Booker, Veranstalter:innen, Bouncer und Barkeeper. Was nach außen oft wie ein Traumjob aussieht, birgt für die Menschen hinter den Kulissen auch Risiken und Schattenseiten. Nächte werden zu Tagen, Feiern wird zum Arbeitsalltag, und der Druck, das Publikum immer wieder zu begeistern, ist enorm. Während die Fans ekstatisch feiern, müssen die Künstler:innen oft alles geben – auch dann, wenn sie mental längst am Limit sind. Und während die Party für die Gäste nach ein paar Stunden vorbei ist, müssen DJs und Arbeitende in der Clubszene weitermachen – das alles fordert seinen Tribut. Kein Wunder, dass immer mehr Artists mit psychischen Problemen kämpfen.

Ein trauriges, aber bekanntes Beispiel dafür, wie schnell der Traumjob zum Albtraum werden kann, ist der schwedische DJ Avicii. Jahrelang litt er unter Depressionen, Angstzuständen und Suchtproblemen. Trotz seines schnellen Erfolges und unzähliger ausverkaufter Shows wurde das Leben in der Musikindustrie für ihn unerträglich und er zog sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere aus dem Rampenlicht zurück. In der Doku "Avicii: True Stories" sprach er offen über seine Kämpfe und wie Ruhm und Reichtum ihn in die Krise stürzte. 2018 nahm sich Tim Bergling, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, das Leben.

Und das ist kein Einzelfall. Die Berliner DJ Monika Kruse sprach 2023 öffentlich über ihre Angstzustände und Panikattacken, die sie dazu zwangen, eine längere Pause einzulegen. „Alle meine geplanten Gigs abzusagen, war die schwerste Entscheidung meines Lebens“, schrieb sie auf Instagram.

Auch Felix Jaehn sagte zuletzt seine Shows in Soltau, Frankfurt und auf Ibiza ab, weil Körper und Geist einfach nicht mehr mitmachen wollten. In einem Instagram Post schrieb Jaehn: „Es tut mir leid, dass ich euch im Stich lasse, aber für den Moment muss ich alle Shows bis auf weiteres absagen“. Körper und Geist haben demnach „Warnsignale gesendet“. „Und ich höre jetzt zu.“ Es sei nun Zeit, sich auszuruhen und zu heilen.

Doch warum sind so viele in der Szene betroffen? Ist das Leben als DJ wirklich härter als man denkt? Oder traut man sich einfach nicht, offen über die psychische Gesundheit zu sprechen? Angst vor Stigmatisierung, der Druck, immer stark zu sein – das alles sind Gründe, warum das Thema oft totgeschwiegen wird. Und genau hier kommt das Mental Rave Network ins Spiel.

Für Menschen aus der Club- und Ravecommunity ist es oft schwer, einen Therapieplatz zu finden, bei dem offen und vertrauensvoll über Szene-Erlebnisse, Substanzkonsum oder den eigenen Lebensentwurf gesprochen werden kann. Deshalb haben wir ein spezielles Angebot geschaffen, das niedrigschwellig ist und ohne Diagnosezugang funktioniert.
Carla Ortmann – Co-Founder des Mental Rave Networks

Ein Netzwerk für mentale Gesundheit

"Wir haben das Mental Rave Network gegründet, weil wir die psychische Gesundheit im Festival- und Clubkontext enttabuisieren wollen“, erklärt Clara Ortmann, Co-Founderin des Projekts. „Viele Menschen in dieser Szene fühlen sich mit ihren Problemen allein gelassen. Deshalb bieten wir zielgruppenspezifische Therapieangebote an.“

Das Mental Rave Network wurde von Clara Ortmann, systemische Therapeutin, und Felix Gebauer, DJ und Festivalgründer, ins Leben gerufen. Die beiden hatten die Vision, ein Unterstützungsnetzwerk für Menschen in der Club- und Festivalszene zu schaffen, das leicht zugänglich ist und die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppe berücksichtigt. In den letzten 12 Monaten hat das Mental Rave Network dank einer Infrastrukturförderung der Initiative Musik bereits 20 ravesensible Einzeltherapieplätze und drei Gruppentherapieangebote in Berlin geschaffen.

„Es war uns wichtig, dass die Menschen sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Wir wollen ihnen helfen, offener über ihre Gefühle zu sprechen und Unterstützung zu finden, ohne das Gefühl zu haben, sich rechtfertigen zu müssen“, so Ortmann. „Für Menschen aus der Club- und Ravecommunity ist es oft schwer, einen Therapieplatz zu finden, bei dem offen und vertrauensvoll über Szene-Erlebnisse, Substanzkonsum oder den eigenen Lebensentwurf gesprochen werden kann.“

Carla Ortmann
Carla Ortmann

We rave together, we heal together

„Unsere große Vision ist es, nachhaltig ravesensible Therapieplätze zu schaffen, die von der Festival- und Clubcommunity getragen werden“, sagt Felix Gebauer, Initiator und Co-Founder des Netzwerks. „Ein dauerhaft, solidarisch finanziertes, zielgruppenspezifisches Angebot hätte das Potenzial, Menschen zu erreichen, die momentan kaum einen Weg zu Unterstützungsangeboten finden.“

Dabei geht es um Einzel- und Gruppentherapien, Workshops und Sensibilisierungskampagnen, die von erfahrenen Therapeut:innen durchgeführt werden, die die speziellen Bedürfnisse der Szene verstehen. „Wir haben ein großartiges Team von Therapeut:innen zusammengestellt, und alle haben viel Erfahrung in der Arbeit mit Menschen, die in dieser Szene unterwegs sind“, berichtet Ortmann.

„Der klassische Weg über das Gesundheitssystem ist oft ein großes Hindernis“, sagt die systemische Therapeutin. „Die Wartezeiten auf Therapieplätze sind lang, und die Hürden, sich eine Diagnose zu holen, sind hoch. Deshalb haben wir gedacht, es braucht ein zielgruppenspezifisches Angebot, das die Szene dort abholt, wo sie steht.“

Zu Beginn lag der Fokus auf Künstler:innen und Kulturschaffenden, die beruflich in der Szene unterwegs sind – also DJs, Booker und Menschen, die im Club- und Festivalumfeld arbeiten. Doch das Netzwerk wächst, und mittlerweile wenden sich immer mehr Menschen an die Organisation. „Wir haben keine strengen Kriterien, die die Leute erfüllen müssen“, erklärt Ortmann. „Es geht vor allem darum, dass sie bereit sind, an der Therapie teilzunehmen und sich auf den Prozess einzulassen.“

Wer Unterstützung sucht, kann einfach eine E-Mail an therapieanfrage@mentalravenetwork.org schreiben. Dann folgt ein Gespräch, um herauszufinden, ob eine Einzel- oder Gruppentherapie die beste Option ist. „Es geht nicht darum, jemanden auszuschließen“, betont die Co-Founderin. „Aber wir wollen sicherstellen, dass die Leute die Zeit und den Raum haben, sich wirklich auf die Therapie einzulassen.“

Felix Gebauer
Felix Gebauer
Unsere große Vision ist es, ravesensible Therapieplätze zu etablieren, die von der Festival- und Clubcommunity getragen werden. Ein dauerhaft, solidarisch finanziertes, zielgruppenspezifisches Angebot hätte das Potenzial, Menschen zu erreichen, die momentan kaum einen Weg zu Unterstützungsangeboten finden.
Felix Gebauer – Co-Founder des Mental Rave Networks

Von der Community für die Community

Da das Angebot jedoch nicht über Krankenkassen abgerechnet werden kann, ist das Netzwerk auf finanzielle Unterstützung angewiesen. „Wir haben Förderungen beantragt und auch bekommen, aber das reicht nicht aus, um alle laufenden Kosten zu decken“, erklärt Ortmann. „Wir müssen einen Teil der Kosten selbst tragen, um zu beweisen, dass wir auf eigenen Beinen stehen können und nicht nur von Fördergeldern abhängig sind." Die Finanzierung des Mental Rave Networks basiert auf einem solidarischen Modell. Das bedeutet, dass die Teilnehmer:innen je nach Einkommen und ihren Lebensumständen zwischen 20 und 60 Euro pro Therapiesitzung zahlen. „Wir wollen, dass sich jeder eine Therapie leisten kann, unabhängig von seiner finanziellen Situation“, betont Ortmann.

Ein Problem dabei: Die Fördergelder sind endlich, und ohne neue Mittel könnte das Netzwerk bald in Schwierigkeiten geraten. Deshalb hat das Mental Rave Network eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext eingerichtet, um dringend benötigte 15.000 Euro zu sammeln. „Wir brauchen das Geld, um unsere laufenden Therapien weiterzuführen“, so die Co-Founderin. „Jeder Beitrag hilft uns, Menschen in der Szene weiterhin zu unterstützen.“ Wird dieses Ziel erreicht, können ab Herbst 2024 sogar weitere Therapieplätze angeboten werden.

Zahlreiche DJs und Festivals haben ihre Unterstützung für die Kampagne zugesagt. So spenden Künstler:innen wie Monika Kruse, Oliver Koletzki und Monolink exklusive Items als Unterstützung der Kampagne. Auch Festivals wie Bucht der Träumer, Garbicz-Festival und das Präriefestival tragen mit gespendeten Tickets und Reichweite dazu bei, die Vision des Mental Rave Networks zu verbreiten.

„Wir wünschen uns, dass die Clubs und Kollektive die Verantwortung mittragen und sich solidarisch zeigen“, sagt Ortmann. „Sei es durch Soli-Partys, Spendenboxen oder Soli-Drinks – es gibt viele Möglichkeiten, die Community zu mobilisieren und gemeinsam etwas zu bewegen."

Zukunftsmusik

Trotz der finanziellen Herausforderungen ist das Mental Rave Network entschlossen, weiterzumachen. „Wir haben gemerkt, wie groß der Bedarf ist, und wir sehen auch, wie viel Positives unsere Arbeit bewirkt“, berichtet Ortmann. „Die Rückmeldungen von den Menschen, die unsere Angebote nutzen, sind überwältigend. (...) Unser Ziel ist es, langfristig unabhängig von Fördergeldern zu werden und uns selbst zu tragen.“

Wer das Projekt unterstützen möchte, kann über die Crowdfunding-Plattform Geld spenden oder durch den Kauf von Hoodies oder Vinyls helfen. Und auch die Clubs und Kollektive sind aufgerufen, ihren Teil beizutragen.

Von Johannah Hainke und Nico Gottwald

Mental Rave Network Crowdfunding

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