„Es ist jedes Mal ein bisschen wie Magie“
Wie vier Musiker:innen aus einer Idee am WG-Tisch eine Band formten. MONOKROM verbinden Live-Instrumente, Gesang und elektronische Beats zu einem Sound, der Clubkultur und Bandgeist neu denkt.
Wie vier Musiker:innen aus einer Idee am WG-Tisch eine Band formten. MONOKROM verbinden Live-Instrumente, Gesang und elektronische Beats zu einem Sound, der Clubkultur und Bandgeist neu denkt.
Dichter, silbriger Nebel kriecht über den Boden der Bühne. Strahlen violetten Lichts durchschneiden den Dunst und lassen vier Silhouetten erkennen, die sich an glänzenden Instrumenten vorbeischlängeln. Ein Synthesizer-Ton schwebt durch den Raum. Dann setzen Drums ein, schwer und treibend. Der Bass wummert warm und tief, während eine glasklare Stimme ins Mikrofon haucht. Langsam wabert der Nebel in Richtung Tanzfläche und gibt den Blick frei auf Eddie, Max, Domi und Kari. „Hallo Berlin, wir sind MONOKROM!“, spricht Kari ins Mikrofon. Die Menge jubelt, klatscht und fällt zurück in einen kollektiven, tranceartigen Rhythmus.
Live Melodic Vocal Techno Band, so beschreibt sich MONOKROM selbst. Das klingt zunächst sperrig, beschreibt aber genau das, was sie tun. Die vierköpfige Band aus Berlin bringt elektronische Clubmusik in einen Live-Kontext. Melodische, tanzbare elektronische Musik mit Gesang.
Wir feiern elektronische Musik, aber Live-Spielen ist unsere Leidenschaft
Die Idee entstand in ihrer WG in Hamburg. Eddie und Max studierten zu der Zeit Jazz und in ihrer Freizeit saßen sie in ihren vier Wänden und dachten über Musik nach. Irgendwann kam ihnen eine Idee: Techno live spielen. „Wir feiern elektronische Musik, aber Live-Spielen ist unsere Leidenschaft“, erzählen sie. Gemeinsam mit Drummer Domi und Sängerin Kari wollten sie versuchen beides zu verbinden. Auf dieser Suche haben sie ihren Sound Stück für Stück weiterentwickelt: „Unsere ersten Demos klangen überhaupt nicht nach Techno“, lachen sie. Heute sind Sample-basierte Drum-Sounds, Synthesizer-Experimente und verfremdeter Bass fester Bestandteil ihres Stils. „Der Anfand war hart für uns. Den wollen wir nicht mehr zeigen.“
Ihre Songs entstehen oft auf ganz unterschiedliche Weise, doch am häufigsten beginnt alles mit einem spontanen Jam im Proberaum. „Wir setzen uns einfach zusammen, spielen drauflos und schauen, was passiert“, erzählt Eddi. „Oft reicht eine kleine Idee. Ein paar Zeilen Text, die Kari mitbringt, eine Melodie, die einer von uns ins Handy gesungen hat, oder ein neuer Synthesizer-Sound, den ich ausprobieren will. Aus so einem Impuls entsteht dann Schritt für Schritt eine Vision.“ Sobald ein erster musikalischer Baustein da ist, greifen alle ineinander. „Dann kommt der Moment, wo jeder etwas beiträgt“, sagt Eddie. „Kari improvisiert mit ihrer Stimme, Domi reagiert mit neuen Drum-Grooves, und plötzlich entsteht eine Dynamik, die wir vorher nicht geplant hatten.“ Dieses intuitive Zusammenspiel sei entscheidend für den kreativen Prozess. „Es ist jedes Mal ein bisschen wie Magie. Wir wissen nie genau, wohin der Jam führt, aber irgendwann spüren wir: Jetzt passiert etwas Besonderes.“
Später verlagert sich der Prozess oft ins Heimstudio ihres Tontechnikers Valle, wo sie die Ideen verfeinern. „Da sitzen wir stundenlang und schrauben an Sounds herum, verändern Drum-Samples, probieren neue Effekte aus“, erzählt Max. „Im Studio können wir viel tiefer ins Detail gehen als im Proberaum.“ Gleichzeitig bleibt die Herausforderung bestehen, die komplexen Produktionen auf vier Musiker:innen herunterzubrechen. „Im Studio können wir unendlich viele Spuren hinzufügen, live müssen wir entscheiden, was wir wirklich selbst spielen können“, so Eddie. „Das zwingt uns dazu, die Songs auf ihre Essenz zu reduzieren und genau das macht sie dann auch auf der Bühne so stark.“
Ihre Shows gleichen DJ-Sets mit fließenden Übergängen und Raum für Improvisation. Besonders begeistert nehmen die Fans ein Show-Element auf, bei dem die Band ihre Übergänge Schritt für Schritt erklärt. „Wir wollten, dass das Publikum wirklich versteht, was da oben passiert“, erklärt Max. „Normalerweise siehst du bei einem DJ vielleicht, dass jemand an einem Regler dreht, aber nur wenige checken, was das technisch bedeutet. Wir zeigen live, wenn wir zum Beispiel einen Low-Cut setzen, den Bass rausnehmen oder neue Loops einspielen. So können die Leute hören und sehen, wie ein Song entsteht und wie wir von einem Stück in das nächste übergehen.“
Auch wenn MONOKROM mittlerweile auf Festivals in ganz Deutschland und Clubs wie dem Sisyphos gespielt haben, ist der Alltag als Newcomer:innen alles andere als glamourös. Noch können sie nicht von ihrer Musik leben. „Wir fahren tausende Kilometer zu Gigs, investieren unzählige Stunden und verdienen manchmal einen Euro pro Stunde“, erzählt Eddie offen. Trotzdem machen sie weiter. Und umso wichtiger ist für sie die DIY-Szene in Deutschland und befreundete Kollektive, die fernab kommerzieller Strukturen Räume für Kunst und Musik schaffen. „Das sind für uns die schönsten Orte“, beobachten sie. „Da geht es nicht um große Budgets, sondern um Leidenschaft und Gemeinschaft. Da sitzen Leute zwei Wochen lang zusammen und arbeiten an der Deko, denken sich ein Awareness-Konzept aus und schaffen einen Raum, der sich von allen Seiten richtig anfühlt. Genau da fühlt sich unsere Musik am besten aufgehoben.“
Kritisch sehen sie auch die aktuelle Musiklandschaft. Sie verzichten zunehmend auf Veröffentlichungen auf Spotify, weil die Streaming-Vergütung verschwindend gering ist und sie die Investitionen des Unternehmens in Rüstungstechnologien ablehnen. „Musik muss Klicks generieren, das fördert keine kreative Szene“, findet Eddi. Ihre Songs dauern fünf bis acht Minuten und nehmen Hörer:innen mit auf eine Reise. Ein bewusster Gegenentwurf zu algorithmusfreundlichen 2:30-Minuten-Tracks.
Monokrom stehen noch am Anfang, doch sie zeigen eindrucksvoll, wie viel Leidenschaft, Haltung und Experimentierfreude in handgemachter elektronischer Musik stecken kann. Sie schaffen kollektive Räume und nehmen ihr Publikum mit auf Klangreisen. Und auch wenn der Weg mühsam ist und sich noch nicht davon leben lässt, treiben sie ihre Vision weiter voran und begeistern damit immer mehr Techno-Fans.
Von Johannah Hainke