"Für mich war Musik schon immer wie Therapie"
Die Sängerin und Produzentin Lia Blue spricht im Interview über ihre Anfänge, den Weg zur Selbstfindung, Inklusivität in der Musik und darüber, warum sie ihre Bühne als Safe Space versteht.
Die Sängerin und Produzentin Lia Blue spricht im Interview über ihre Anfänge, den Weg zur Selbstfindung, Inklusivität in der Musik und darüber, warum sie ihre Bühne als Safe Space versteht.
Mit ihrem Album Skyphoria, das im vergangenen Jahr erschienen ist, geht Lia Blue im Herbst auf Tour. Die Künstlerin aus Mecklenburg-Vorpommern schlägt eine Brücke zwischen empfindsamer Melancholie und elektrisierender Euphorie und entwickelt damit ihren ganz eigenen Stil, den sie selbst als Blue Pop bezeichnet. Ihre Texte greifen oft existenzielle Themen auf: psychische Belastungen, Einsamkeit oder das Gefühl, nicht dazuzugehören. Dabei steht sie für Diversität, Offenheit und echte Begegnung. Werte, die sie auch auf der Bühne lebt. Ihre Konzerte sind Orte, an denen sich Menschen so zeigen dürfen, wie sie sind. Wir sprechen mit Lia Blue über ihre Anfänge als Künstlerin und ihre Musik.
SSL: Du hast 2019 dein Debütalbum Skyfire veröffentlicht. Damit hast du dich ja erstmals einem größeren Publikum vorgestellt. Wie würdest du sagen, hat dich dieses Album als Künstlerin geprägt und weiterentwickelt?
LB: Ich habe Skyfire 2019 veröffentlicht, aber der Weg dahin war lang. 2015 habe ich angefangen als Lia Blue Musik zu machen und mir mit ganz einfachen Mitteln ein kleines Homestudio aufgebaut. Ich wusste, ich wollte elektronische Musik machen, konnte es aber anfangs technisch gar nicht umsetzen. In den vier Jahren bis zum Album ist das Studio gewachsen, und ich habe mir alles selbst beigebracht, mit unzähligen Tutorials und ganz viel Geduld. Am Ende stand dann ein Album mit zwölf Songs, das komplett aus dieser Eigeninitiative entstanden ist. Für mich war das ein riesiger Erfolg. Aus dem Nichts ein Album zu machen, und später sogar nach Hamburg in ein richtiges Studio zu gehen, um dort weiter aufzunehmen, das war damals mein größter Wunsch, und den konnte ich mir erfüllen.
SSL: Was dich besonders auszeichnet, ist ja, dass du in deiner Musik oft über tiefgehende Themen sprichst – psychische Belastung, Einsamkeit oder das Gefühl, nicht dazuzugehören. Was motiviert dich, solche Themen öffentlich in deiner Musik anzusprechen?
LB: Ich finde, genau diese Themen müssen angesprochen werden. Viele Menschen verschließen sich zu Hause, sprechen nicht darüber und genau das macht viele krank. Für mich war Musik schon immer wie eine Therapie. Ein Kanal, um all das rauszulassen, bevor es mich selbst zerstört. Als Lia Blue angefangen hat, war ich gerade in einer Klinik. Musik war mein Weg, mich zurück ins Leben zu kämpfen. Sie gibt mir bis heute eine Kraft, wie ich sie sonst nirgendwo finde. Und wenn ich mir vorstelle, dass ich mit meiner Musik andere erreiche, vielleicht motiviere, selbst ins Licht zu gehen, dann ist das das Schönste, was ich mir vorstellen kann.
Jeder Mensch, ist wundervoll wie er ist und alle, egal welches Alter, sind willkommen. Wir feiern das Leben und das Anderssein gemeinsam.
SSL: Du setzt dich auch stark für Inklusivität und Diversität ein. Du beschreibst deine Bühne oft als Safe Space. Was bedeutet das für dich und wie setzt du das konkret um?
LB: Ich versuche, meine Auftritte so bunt wie möglich zu gestalten, wirklich im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Outfit ist farbenfroh, und auch meine Musik soll alle Farben des Regenbogens widerspiegeln. Ich nehme immer meine Regenbogenflagge mit auf die Bühne und habe einen Leuchtstab, in dem sie nochmal symbolisch vertreten ist. In meinen Songs spreche ich auch offen über solche Themen. Ich war selbst in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, und es war schwer, das öffentlich zu leben. Zu Hause war das selbstverständlich, aber draußen, auf der Straße, war es auf einmal unsichtbar. Das hat mich verletzt und gleichzeitig motiviert, mich für mehr Sichtbarkeit einzusetzen. CSDs waren für mich ein großer Wendepunkt. Dort habe ich erlebt, wie viele wunderbare, unterschiedliche Menschen es gibt und das wollte ich in meiner Musik wiederfinden. Auf meinen Konzerten sage ich immer: Jeder Mensch, ist wundervoll wie er ist und alle, egal welches Alter, sind willkommen. Wir feiern das Leben und das Anderssein gemeinsam. Und wenn ich dann von der Bühne ins Publikum gehe und mitten unter all diesen Menschen stehe, die zusammen tanzen und lachen, das ist für mich das Schönste überhaupt.
SSL: Gibt es Momente, in denen du spürst, dass deine Botschaften genau bei den richtigen Menschen ankommen?
LB: Ja, solche Momente gibt es und sie sind unbezahlbar. Da sind Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Einer von ihnen wohnt zum Beispiel in Hannover, sitzt im Rollstuhl und kann leider nicht zu meinen Konzerten kommen. Aber er schreibt mir regelmäßig Nachrichten, kommentiert meine Posts und jedes Mal geht mir das Herz auf. Solche Begegnungen geben mir die Kraft, weiterzumachen. Und es gibt viele andere wie ihn: Menschen, die von außen vielleicht anders wirken oder in Schubladen gesteckt werden. Aber genau das ist es, was ich liebe – mit solchen Menschen in Kontakt zu kommen. Am Ende sind wir alle einfach nur Menschen.
SSL: Lass uns noch über deine musikalische Zukunft sprechen. Was sind deine nächsten Ziele? Gibt es neue Projekte?
LB: Ja, ich möchte auf jeden Fall noch mehr Konzerte spielen! Am 24.10. spiele ich in Hamburg, am 7.11. in Rostock und wenn alles klappt, sogar im Dezember in Wien. Darauf freue ich mich besonders, weil ich damit zum ersten Mal über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus spiele. Außerdem arbeite ich gerade an neuen Songs. Nach dem eher euphorischen Skyphoria möchte ich wieder etwas zurück zu meinen Wurzeln: etwas düsterer, minimalistischer, aber trotzdem mit diesen explosiven, überraschenden Momenten in der Musik. Es wird also definitiv ein neues Album geben.
SSL: Du hast zuletzt zwei neue Songs veröffentlicht. Welcher deiner Songs macht dir beim Spielen denn am meisten Freude und warum?
LB: Ich liebe es, Down in Heaven zu spielen. Das ist, als würde ich in einem Song ein ganzes Konzert erleben. In den drei, vier Minuten steckt so viel Emotion, so viel Energie. Ich verausgabe mich komplett. Danach bin ich fix und fertig, genauso wie mein Drummer (lacht). Aber genau das macht es für mich aus: Ich gebe alles, mein ganzes Herz. Und dann gibt es noch Sky Scrapers, das ist so ein bisschen der Publikumsliebling. Wenn alle um mich herumstehen, mitsingen und tanzen, dann fühle ich mich genau da richtig, wo ich sein soll.
SSL: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!
LB: Es hat mir total viel Freude gemacht, mal so ausführlich über alles zu sprechen. Danke und ich freue mich, wenn ihr in mein Album reinhört!
Von Anneke Riemenschneider