EM: Toleranz im Fußball nur auf der Werbebande
Im Vorfeld der EM wollte sich die UEFA gegen Diskriminierung einsetzen. Mit ihren aktuellen Entscheidungen signalisiert sie jedoch das Gegenteil - und erntet eine Welle der Empörung.
Im Vorfeld der EM wollte sich die UEFA gegen Diskriminierung einsetzen. Mit ihren aktuellen Entscheidungen signalisiert sie jedoch das Gegenteil - und erntet eine Welle der Empörung.
Fußball gilt bis heute als tendenziell homophobe Sportart. Trotz diverser Kampagnen, die ein Imagewechsel einleiten sollten, raten Profis - wie der frühere Nationalspieler Philipp Lahm - von einem öffentlichen Coming-out ab. Grund für Lahms Ratschlag ist die seiner Meinung nach fehlende Akzeptanz sowohl im Fußball als auch im Umfeld. Dennoch gibt es stetige Bemühungen, ein Umdenken im Fußballkosmos zu initiieren. Im Vorfeld der Europameisterschaft startete die UEFA deshalb eine Kampagne, um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen und zu beweisen, wie tolerant der Fußball ist. Auf equalgame.com betont die UEFA, dass Fußball für alle sei.
Die jüngsten Ereignisse regen jedoch Zweifel an dieser Einstellung. Erst die Ermittlungen gegen Nationaltorwart Manuel Neuer, der die Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben bereits seit dem Testspiel gegen Lettland trägt. Nun die Entscheidung, das Münchner EM-Stadion beim Spiel gegen Ungarn nicht in den Regenbogenfarben als Protestzeichen gegen die homophobe Politik von Ungarns Präsident Victor Orbán erleuchten zu lassen. Das ungarische Parlament hatte ein Gesetz gebilligt, das das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt. Seit Verabschiedung des Gesetzes waren Forderungen nach einem klaren Zeichen beim Spiel Deutschland gegen Ungarn laut geworden, woraufhin man das Münchner Stadion zum Spiel der Deutschen Mannschaft in den Regenbogenfarben beleuchten wollte. "Die UEFA ist jedoch aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage - eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt - muss die UEFA diese Anfrage ablehnen", begründete die UEFA ihre Entscheidung in der Pressemitteilung.
Dabei ist das Eintreten für Menschenrechte kein tagespolitisches Statement. Vielmehr sind die Regenbogenfarben ein allgemeines Symbol der LGBTQ-Community und der Gleichberechtigung. Auf Verständnis trifft die Haltung der UEFA bei den Wenigsten. Neben der Zivilgesellschaft äußern sich auch Politiker:innen kritisch: Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bezeichnete die Entscheidung in auf Twitter als "Armutszeugnis". SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte: "Liebe UEFA, es ist nicht so, dass ich von euch viel erwartet habe. Aber ihr seid noch peinlicher als ich dachte. Schämt euch!" .
Eine fragwürdige Entscheidung - ausgerechnet im "Pride Month" - die nicht nur Kritik, sondern auch zahlreiche Gegenreaktionen auslöst. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Bayern kündigte bereits Protestaktionen vor der Arena an. Des Weiteren solidarisieren sich neben zahlreichen Personen der Öffentlichkeit auch diverse Radio- und TV-Sender, indem sie ihr Logo in den Regenbogenfarben darstellen.
Andere Stadionbetreibende wollen nun selbst ein Zeichen zu setzen. So werden die Fußball-Arenen in Frankfurt am Main und Köln am Mittwoch während des Spiels der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in den Regenbogenfarben erstrahlen. "Wenn München am Mittwoch nicht darf, dann müssen eben die anderen Stadien im Land Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen in der Liga", twitterte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann.
Wenn die Allianz Arena schon nicht in den Farben für Toleranz und Gleichstellung erstrahlen darf – die Logos diverser Medien und Unternehmen dürfen. Auch für clevere Werbeaktionen werden die Ereignisse genutzt: Ein Onlinehändler bietet beispielsweise Lampen in Regenbogenfarben zu einem besonders günstigen Preis an, um die Besucher:innen des Münchner Stadions "gut auszustatten".