Foto: Akira Hojo via unsplash
Akira Hojo via unsplash
Foto: Akira Hojo via unsplash

Raven im Namen des Herren: Ein zeitgemäßes Glaubenserlebnis

In Deutschland und der Schweiz haben einige mutige Pfarrer und Gemeinden den Glauben mit elektronischer Musik und gutem Vibe kombiniert.

Glaube, Beats und gute Vibes - das geht offenbar zusammen!

Kirchenraves sind ein aufstrebendes Phänomen, das immer mehr Menschen anspricht und die traditionellen Vorstellungen von Gottesdiensten herausfordert. In der Schweiz und in Deutschland haben einige Pfarrer und Gemeinden den Mut gefunden, Techno-Gottesdienste anzubieten und so eine zeitgemäße Art des Glaubenserlebens zu schaffen.

Ein beeindruckendes Beispiel aus der Schweiz ist das Live-Set von Angelo Repetto, das im Jahr 2018 eine Kirche in Zürich in eine pulsierende Techno-Oase verwandelte und viele Menschen anzog, die sonst mit Gott wenig am Hut haben. Die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde und dem Kollektiv Erlebnis.xyz ermöglichte dieses einzigartige Erlebnis und konnte damit junge Menschen ansprechen, die sonst vielleicht wenig Interesse an einem Kirchengang gehabt hätten.

Auch in Berlin findet diese innovative Form des Gottesdienstes Anklang. Pfarrer Viktor Weber ist der Mann, der regelmäßig Techno-Gottesdienste mit Jugendlichen und anderen Interessierten anbietet. Inspiriert von dem schweizerischen Theologen Karl Barth will er die Kirche für die jüngere Generation zugänglicher machen. "Ich liebe Technomusik. Ich wollte die positive Erfahrung, die ich aus meiner Studentenzeit bei Raves hatte, mit meiner Arbeit verbinden", erklärt der 42-jährige Pfarrer, der als @priestofberlin in den Socials unterwegs ist und bei dessen Techno-Gottesdienst sogar eine Taufe gefeiert wurde. 

Was besonders cool an Weber's Konzept ist, ist die Offenheit für neue Gottesdienstformen. Anstatt eines Orgelspielers engagiert er für die Techno-Gottesdienste ein DJ. Um die Nachbarschaft vor dem erhöhten Geräuschpegel zu schützen, finden die Partys in Berlin in einer Hütte am Stadtrand statt, die der Gemeinde gehört. So können Traditionalisten ihren gewohnten Gottesdienst in der Kirche abhalten, während die Techno-Fans ihre Beats abfeiern können. Ein win-win für alle!

Aber es gibt nicht nur positive Reaktionen auf diese Kirchenraves. Einige Kritiker:innen fragen sich, ob es wirklich nötig ist, Kirchentradition durch Trends zu verändern. Klaus Bockhoff von der Ev. Predigergemeinde Erfurt ist der Meinung, dass der Kirchenraum für etwas anderes da sein sollte. Seinen Ansichten zum Trotz kommen auch in seiner Gemeinde Kirchen-Raves gut an. Über 700 Besucher, vor allem junge Leute, versammelten sich in der Erfurter Predigerkirche um ordentlich zu feiern. Anstatt Eintritt zu zahlen spendeten die Partygäste Lebensmittel für die örtliche Tafel. Eine großartige Möglichkeit, Glaube und soziales Engagement zu verbinden! Für Pfarrer Roland Kühne, der im Rahmen der Kirchentage bereits Techno-Gottesdienste in Köln, München, Bremen und Hamburg gehalten hat, sind diese zeitgemäßen Gottesdienste eine Art Jugendliche anzusprechen, die mit klassischer Kirchenmusik nichts anfangen können. Der Erfolg und die Nachfrage geben ihm Recht.

Alles in allem ist es faszinierend zu sehen, wie sich elektronische Musik und Spiritualität in diesen Techno-Gottesdiensten vermischen. Es entsteht eine einzigartige Atmosphäre, in der Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammenkommen und gemeinsam feiern. Ob in einer verlassenen Kirchenruine, einer Hütte der Gemeinde oder in den heiligen Hallen einer Kirche - die Kombination aus Techno-Beats und Glauben schafft unvergessliche Erlebnisse.

Wer diese außergewöhnliche Erfahrung machen möchte, guckt nach Angeboten in der jeweiligen Region.

Hier könnt ihr euch das Interview mit Pfarrer Weber anhören

Foto Pfarrer Viktor Weber (Credits: Hella Mühlbauer)
Hella Mühlbauer
Foto Pfarrer Viktor Weber (Credits: Hella Mühlbauer)

Das wichtigste aus SSL-Interview mit Viktor Weber, dem @priestofberlin, auf einen Blick

SSL: Ich freue mich, dass Sie Zeit für uns gefunden haben. Was genau ist Ihre Motivation einen Techno Gottesdienst abzuhalten? Wie kam's zu dieser Idee? 

Pfarrer Viktor Weber: Das ist zum einen meine Freude an Gottesdiensten. Ich feiere sehr gerne Gottesdienste - und zum anderen meine Freude an elektronischer Musik. Ich liebe elektronische Musik. Ich kenne das von früher, vom Feiern als Student. Ich liebe diese Musik bis heute. Und nun kann ich beides kombinieren. So entstand die Idee des Techno Gottesdienstes. 

SSL: Wie bereitet man sich auf diese Form des Gottesdienstes vor? Gibt es da Unterschiede? Ich kann mir vorstellen, die Lieder und Texte, die man wählt, sind schon anders als für den traditionellen Gottesdienst, den ich aus meinem Konfirmationsunterricht kenne? 

Pfarrer Viktor Weber: Ja, schade, dass Sie das in ihrem Unterricht so nicht kennengelernt haben. Aber so sehr unterscheiden sich die Vorbereitungen nicht. Der größte Unterschied - im Vergleich zum gewöhnlichen Gottesdienst am Sonntagmorgen, der um zehn mit dem Orgelspiel beginnt - liegt wohl darin, dass ich mir regelmäßig eine Genehmigung vom Grünflächenamt einhole, wegen des Lärms. Also Lärm ist an dieser Stelle natürlich ein unglückliches Wort. Wegen der Geräuschentwicklung. Es wird da doch ein bisschen lauter mit der Musik als wenn man nur ein Klavier oder eine Gitarre hat. Und das ist eigentlich der große Unterschied. Ansonsten ist es formell gesehen ganz ähnlich. Ich muss überlegen, welche Musik soll es geben und wer spielt die? Also der gewöhnliche Organist, die Organistin scheiden in der Regel aus, außer sie sind irgendwie auch DJs oder so. Also: Wer macht welche Musik und wo machen wir das Ganze? Es gibt natürlich die Möglichkeit das Ganze "ganz normal" in der Kirche zu machen. Wir haben aber ein kleines Gelände am Stadtrand mit einer Waldhütte, welches der Gemeinde gehört. Da halten wir den Techno-Gottesdienst in der Regel ab. Dann geht es natürlich darum, was mache ich inhaltlich? Also die Predigt. In welcher Form und um was geht es inhaltlich. Doch bei der Vorbereitung orientiere ich mich schon ganz nah am gewöhnlichen Gottesdienst. Soll man die Frage am Ende sammeln? Machen wir eine Kollekte und wenn ja, wofür? 

SSL:  Sie haben ja gerade gesagt, dass wir in dieser Form nicht in der Kirche statt. Aber es wäre für Ihre Kirche schon okay, wenn Sie denn auch in der Kirche machen würden, oder? 

Pfarrer Viktor Weber: Ja, denke ich schon. Meine Gemeinde ist sehr offen und sieht es eigentlich ganz gerne, wenn ich Dinge ausprobiere. Das wäre in der Kirche durchaus denkbar. Allerdings haben wir nur eine sehr kleine, sehr schöne Dorfkirche mit festen Bänken, sodass man da nur im Altar-Bereich tanzen könnte. Also Tanzen gehört natürlich zum Techno-Gottesdienst dazu. Denkbar wäre es, aber ich denke, es wäre vergleichsweise unpraktisch in unserem Fall.

SSL: Wie haben denn Ihre Gemeindemitglieder auf den Techno Gottesdienst reagiert? Gab es da nur positives Feedback?

Pfarrer Viktor Weber: Überwiegend positives Feedback. Tatsächlich. Beim ersten Mal waren alle unglaublich neugierig. Wie läuft das Ganze? Was passiert da? Wie kann man das überhaupt zusammendenken? Gottesdienst und elektronische Musik? Und im Nachgang habe ich tatsächlich einmal eine Rückmeldung bekommen. Überraschenderweise von einer sehr jungen Person, die das auch kritisch hinterfragt hatte, warum man denn jetzt so alles mögliche machen muss und ausprobieren wolle. Weshalb man sich vom traditionellen Gottesdienst entferne und ob man dabei nicht auch was Wichtiges verliere. Diese eine Person konnte mit dem Format nicht so viel anfangen. Das ist schön, dass ich solch ehrliches Feedback bekomme, weil ich dann das ganze Konzept auch etwas besser anpassen kann. Aber sonst? ... Weder die Nachbarn beschweren sich, noch kommt irgendjemand aus der Gemeinde und sagt: "Das ist falsch! Das darf man nicht machen!"