Foto: SchwuZ Archiv
Foto: SchwuZ Archiv
IDAHOBIT* 2021 - Spezial

Wie weit sind wir in Bezug auf Inklusion und Akzeptanz?

Zum internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie blicken wir mit Clubchef Marcel Weber zurück auf die Geschichte des SchwuZ

Liebe, wen du willst. Wenn es so einfach wäre...

Wer in einer Großstadt lebt, der könnte meinen, dass sich in Bezug auf Gleichstellung und Akzeptanz der LGBT+ Community gesellschaftlich einiges getan hat. Doch ein Blick über die Cosmopolitische-Bubble hinaus, z.B. nach Tschetschenien, zeigt: Die Realität sieht leider noch immer anders aus. 

LGBT+ feindliche Gewalt ist zwischen 2019 und 2020 selbst in Deutschland nochmals gestiegen, wie Zahlen belegen, die Horst Seehofer und BKA-Präsident Holger Münch am 05. Mai in Berlin vorstellten.
Es bleibt also dringend notwendig, sich auch weiterhin für die Grundrechte aller Menschen einzusetzen -  unabhängig von ihrer sexuellen Identität oder Orientierung. Besonders in Zeiten zunehmender Gewalt und Diskriminierung gegenüber queer lebenden Menschen, ist es wichtig, Flagge zu zeigen und für mehr gegenseitige Anerkennung und Respekt einzutreten.

Weshalb ist der Aktionstag wichtig?

Am 17.5. findet in jedem Jahr der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie statt.
Der Aktionstag wurde als Erinnerung ins Leben gerufen, dass die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 17. Mai 1990 beschloss, dass Homosexualität nicht länger als Krankheit einzustufen sei. Seit 2005 begeht man an diesem Tag daher den „Internationalen Tag gegen Homophobie“ (IDAHO).
In Deutschland passt dieses Datum aus einem weiteren Grund: Die Ähnlichkeit zwischen dem gestrichenen „Schwulenparagrafen“ 175 und dem Datum 17.5.

2009 wurde aus „IDAHO“ schließlich „IDAHOT“ – der Internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie. Heute lautet die Abkürzung „IDAHOBIT“ und umfasst damit auch Bisexuelle und Intersexuelle.

#saveourschwuz

Zum internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie haben wir uns zum Thema mit SchwuZ- Clubchef Marcel Weber unterhalten. Er blickt zurück auf die Geschichte des Clubs, der einst der erste alternative schwule Club in West-Berlin war und der sich heute aufgrund der Pandemie mit existenziellen Herausforderungen konfrontiert sieht. 

Das SchwulenZentrum (kurz: SchwuZ) ist seit der Gründung im Jahr 1977 ein Ort großer Vielfalt – das betrifft sowohl die Gäste als auch das Programm. Schon immer war das SchwuZ mehr als nur ein Club. Vielmehr ist der Ort eine Instanz des Aufbegehrens und der Emanzipation nicht-heteronormativer Lebensweisen. 

Im August 1971 gründete sich die Homosexuelle Aktion Westberlin, kurz HAW. Ein wichtiger Impuls hierfür war der Film »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt« von Rosa von Praunheim. Aus dieser vorwiegend politisch agierenden Gruppe heraus entstand im Juni 1977 das SchwulenZentrum zunächst als selbstverwalteter Kommunikationstreffpunkt. Hier kamen Arbeitsgruppen zu emanzipatorischen Themen zusammen, Aktionen wurden vorbereitet und viele neue Projekte wie das Stadtmagazin Siegessäule, der Buchladen Prinz Eisenherz, die Schwulenberatung und der erste CSD 1979 auf den Weg gebracht.

Gefeiert wurde natürlich auch: Schwule Partys, Filmabende und das Café im SchwuZ zogen einen immer größer werdenden Freund:innen-kreis an. Quer durch alle Altersgruppen war das Haus vorwiegend von politisch aktivem, links-alternativen Publikum geprägt. Ein idealer Nährboden für die Entfaltung der legendären Berliner Tunten-Kultur, zu deren Entstehung das SchwuZ einen entscheidenden Beitrag leisten konnte. 

Mit zunehmender Beliebtheit stieg aber auch der Wunsch, den höheren Publikumsströmen Rechnung zu tragen. So ist das SchwuZ von der Kulmer Straße in Schöneberg, wo die Anfänge liegen, in die Kulturfabrik in der Hasenheide, dem Mehringdamm in Kreuzberg schließlich in die Rollberstraße in Neukölln gezogen, wo es seit November 2013 ein zu Hause hat.

Marcel, was sind aktuell die größten Herausforderungen in Zeiten der Pandemie das SchwuZ zu erhalten?

Das ist natürlich das finanzielle Überleben. Bisher haben die Hilfsprogramme vom Bund dafür gesorgt, das wir mit einem blauen Auge davongekommen sind. Und auch die Aufnahme eines Kredits über 300.000 Euro wird sicher helfen. Dennoch muss der Kredit wieder zurückgezahlt werden. Ob und wie es mit den Hilfsprogrammen nach dem 30. Juni 2021 weiter geht, weiß bisher niemand. 

Wenn man in seiner Berlin-Bubble lebt, dann könnte man meinen in Bezug auf Gleichstellung und Akzeptanz hätte sich gesellschaftlich einiges getan, doch guckt man z.B. nach Tschetschenien, dann sieht das leider noch ganz anders aus. Wie bewertest du den gesellschaftlichen Prozess? Leben wir in Zeiten zunehmender Gewalt und Diskriminierung oder befinden wir uns auf dem richtigen Weg zu mehr Akzeptanz?

Wir leben in einer Zeit wo deutlich wird, dass es nicht reicht, in der eigenen Komfortzone zu verharren. Und natürlich ist es auch keine gute Idee, in der Panikzone zu stehen und zu eskalieren. Daher bleibt die größte Aufgabe für uns alle, in die Lernzone zu kommen. Einander zuhören und voneinander lernen ist das Motto. Und wir müssen uns klar und jederzeit gegen Gewalt und Diskriminierung positionieren - nicht nur an ausgewählten Gedenk- und Aktionstagen. IDAHOBIT ist wie so viele wichtige Aktionstage an 365 Tagen im Jahr!

Hier könnt ihr spenden: